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AutorenbildHasret Mutlu

Die Reise nach La Palma und eine kurze Geschichte vom Scheitern

Aktualisiert: 2. Juni

Ein Abenteuer verläuft meistens komplett anders als man es sich vorgestellt hat. Pläne können sich ändern. Genauso war es auch auf der vulkanischen Insel La Palma. Der Transvulcania stand auf dem Programm und was ich auf dieser Reise erlebt und welche Gefühlslagen ich durchgemacht habe, erfahrt ihr ziemlich genau in diesem Beitrag.


Transvulcania - Was ist das?


Der Transvulcania ist eine große Laufveranstaltung bzw. ein Rennen auf der kanarischen Insel La Palma. Die Königsdisziplin bei diesem Rennen ist der Ultramarathon mit seinen knapp 74km und +4400 Höhenmetern Aufstieg. Neben diesem Rennen gibt es auch die Distanzen über 43km, 23km, 7,3 km (Vertical Run) und einen Kids Run. Die Insel ist während diesen Rennen im Ausnahmezustand und gefühlt haben die Läufer*innen während dieser Zeit die Insel für sich. Man spürt die Anspannung und Aufregung quasi in der Luft. Mitten im Atlantik gelegen bietet die Insel unfassbar schöne Aussichten und anspruchsvolle Trails durch die Natur. La Palma hat einen vulkanischen Ursprung und noch im Jahre 2021 gab es einen neuen Vulkanausbruch, der satte drei Monate andauerte. Dabei führt der Lauf auf der berühmten Vulkanroute dem GR 131.


Die Vorbereitung


Für mich ging es auf die "Königsdisziplin". Der Ultramarathon mit seinen 74km und sehr vielen Höhenmetern. Trainiert hatte ich sehr gut und hab die Möglichkeiten, die sich mir im Flachland so angeboten haben sehr gut genutzt. Neben den klassischen Laufeinheiten mit Höhenmetern und im Gelände folgten viele Stunden im Fitnessstudio und in der Boulderhalle. Kraftraining und die Stärkung der Muskulatur für das Berghoch und -ab laufen, lagen im Fokus. Um ehrlich zu sein war die Vorbereitung gespickt mit Höhen und Tiefen. Meine letzten lange Läufe konnte ich aufgrund muskulärer Beschwerden nicht machen oder eher wollte ich sie nicht machen.


Aus der Vergangenheit hatte ich nämlich gelernt. Pausen zu machen, sobald gewisse Signale vom Körper kommen. Pünktlich zur Abreise war ich nach ein paar Physio-Einheiten fit und hatte die lauffreie Zeit auch für Alternative Sportarten genutzt. Noch Anfang des Jahres hatte ich mein persönliches sportliches "Comeback" gehabt. Nach der Covid Erkrankung zum Ende des Jahres 2023 musste ich in Summe knapp acht Wochen auf Sport verzichten. Die Nachwirkungen der Infektion hatten mich stark getroffen. Aber auch diese Hürde war überwunden und es stand dem Start für den Transvulcania nichts mehr im Weg.


Gemeinschaft und Entspannung


Die Tage vor dem Rennen bestanden aus Essen, am Strand liegen, Entspannung, und noch mehr Essen. Wir ließen es uns richtig gut gehen und genoßen die Sonne. Mit "Wir" meine ich vier weitere Freunde, die ich durch den Laufsport kennengelernt habe. Wir alle würden auf der Ultra-Trail Distanz starten, was dem Ganzen noch eine kleine Besonderheit widmete.

Oberhalb von El Paso


Hier ist allerdings noch zu erwähnen, dass Thomas aus unserer kleinen "Ultra-Gruppe" hier auf La Palma seit neuestem sesshaft geworden ist. Seine Familie und er haben ein Haus mit einem großem Garten und Blick auf die Berge in der Umgebung von El Paso gekauft. Thomas lud uns Ende 2023 zu sich ein und bot uns an während der Zeit des Transvulcania- Wochenendes bei Ihm zu nächtigen, was wir alle dankend angenommen haben. Ich würde sein neues zu Hause als Ruhe-Oase beschreiben. Thomas berichtete uns stolz über einige Ideen, die hier noch verwirklicht werden sollen. Eine Art kleines Sport-Resort soll hier entstehen. Laufen, Yoga, Massage und vieles Mehr. Alles rund um den Outdoor-Sport und das "Draußen-Sein".



Wir kochten zusammen, liefen die neuen kurzen Hausrunden von Thomas und tankten ordentlich viel Sonne. Die Hängematte wurde zu meinem besten Freund und einige Stunden verbrachten wir auch am Strand von Tazacorte. Lesen, schlafen oder einfach mal die Berge beobachten und nichts tun. Die Zeit bis zum Start des Transvulcania verging gefühlt wie im Flug. Auch wenn wir uns viel Ruhe gegönnt haben, haben wir trotzdem bereits einiges von der Insel entdecken können. Angekommen waren wir am Mittwoch und der Start zum Lauf war Samstag morgens früh. Also genug Zeit, um sich auf die Gegebenheiten einzustimmen.




Start am Leuchtturm und ein sternenbedeckter Himmel


Um 2 Uhr Nachts klingelt der Wecker. Ich schmeiße mich aus dem Bett und gehe noch verschlafen zu meiner Trailrunning-Ausrüstung, welche ich am Tag davor vorbereitet und zusammengelegt habe. Draußen pfeift ein Wind, es ist dunkel und aus der Ferne hört man in der Nachbarschaft mehrere Hunde bellen. Es soll losgehen. Das Abenteuer Transvulcania. Einmal über die beeindruckende und wunderschöne Insel La Palma laufen. Ich prüfe zum gefühlt tausendsten Mal, ob ich alles habe. Im Kopf gehe ich kurz alles durch. Danach Umziehen, Zähne Putzen und ab an den Frühstückstisch. Ein Kaffee und zwei Toast mit Marmelade. Das ist meine Routine und hat immer gut funktioniert. Trotz des kurzen Schlafs sind alle wach und natürlich aufgeregt.


Wir fahren mit dem Auto von El Paso runter bis zum Zielort Los Llanos, wo wir am späten Abend hoffentlich gesund ankommen und finishen werden. Das Auto stellen wir in ein Parkhaus und machen uns auf dem Weg zum Shuttle-Bus, denn der Start ist an der Südküste von La Palma am Leuchtturm Faro.


Mit einem riesigen Bus voll mit Läufer*innen fahren wir auf engen Straßen an steilen Hängen vorbei zum Start. Ich sitze neben einem Läufer aus England. Wir kommen ins Gespräch und er erzählt mir, dass dies sein zweiter Start ist und der Lauf ziemlich brutal sei. Aber es wäre eine einmalig schöne Strecke und deshalb möchte er sich das Ganze nochmal geben. Total verrückt, aber ich kann ihn voll und ganz verstehen.


Nach einer 45 minütigen Fahrt kommen wir endlich an. Alle gehen in Scharen mit ihren Kopflampen durch die Dunkelheit runter an den Start. Es ist windig und der Himmel ist bedeckt mit Sternen. Da einige Leuchter aufgestellt sind, kann man nur wage erahnen, wie schön dieser Himmel sein mag. Am Start treffe ich noch zwei Freunde und dann finde ich mich auch schon im Getümmel des Startblocks. AC/DC - Thunder läuft ganz laut durch die Lautsprecher. Dieses Lied ist für mich besonders, da es auch bei meinem ersten 100er und ersten Ultra-Trail am Start Nachts lief. Gänsehaut und auch etwas Angst vor dieser Herausforderung machen sich breit. Aber auch die Freude, dass es endlich losgeht. Mit dem Startschuss geht es los in die Dunkelheit und erstmal saftig bergauf für die nächsten Stunden.




Fast versunken im Lavasand


Über eine breite Straße laufen wir die ersten Meter bergauf. Ich lasse es langsam angehen und trabe locker hoch. Dann kommen wir allmählich zum Terrain, was uns die nächsten Stunden begleiten wird. Feinster Lavasand. Es bildet sich ein leichter Stau und wir stampfen alle den steilen Anstieg hoch. Immer mal wieder kann man einige Meter auch gut laufen. Es geht endlos berghoch bis wir nach 7km und ca. 750 Höhenmetern am ersten und vorerst letzten richtigen Dorf in Los Canarios durchkommen. Es ist mittlerweile hell und morgens früh stürmen alle Läufer*innen durch dieses Dorf. Hier findet am Streckenrand eine große Party statt. Die Dorfbewohner*innen sind alle an der Strecke und feuern an. Das war absolut genial und total schön. Gleich nach der Verpflegungsstelle in diesem Dorf geht es wieder steil hoch. Wir begeben uns langsam aber sicher ins Gebirge und steigen mit jedem Schritt weiter auf.


Der Untergrund ist vorerst geprägt von schwarzem Sand. Ich kämpfe mich die Berge hoch und auch meine Stöcke versinken im Sand. Im Wald fällt die Sonne ein und so langsam wird es heißer.


Das nächste Ziel ist Los Deseadas. Ich denke nur von Verpflegungsstelle zu Verpflegungsstelle. Das große Ziel in kleine Ziele einteilen. Nach 17km und satten 1800 Höhenmetern gibt es nochmal die Möglichkeit Wasser aufzufüllen. Hier verweile ich nicht lange und ziehe weiter. In einem flotten Downhill geht es durch den Wald und runter nach El Pilar. Hier sehe ich in der Ferne eine Wolkendecke über die Berge ziehen. Es sieht aus wie ein Wasserfall. Atemberaubend und wunderschön. Durch diese Wolkendecke soll es dann auch später durchgehen. Unten in El Pilar angekommen nehme ich mir Zeit, was zu essen. Bis hierhin hatte ich mich sehr gut verpflegt. Danach ging es weiter und hier änderte sich auch das Klima von jetzt auf gleich.




Achtung es wird windig und feucht


Während ich erst durch die Hitze gelaufen bin, fand ich mich jetzt im leichten Nieselregen und einem kalten Windzug wieder. Ich trabte weiter bergauf und es ging jetzt zum Glück auf befestigen Waldwegen weiter. Allerdings war es feucht, windig und schätzungsweise 10 Grad kühler.


Mein nächstes Ziel war die VP El Reventon auf knapp 1400m Höhe. Nach weiteren 6,8 km war ich auch hier angekommen. Kurz verpflegen und den Sand aus den Schuhe kriegen. Die nächste Verpflegungsstelle war dann erst am Pico de la Cruz auf 2293m Höhe bei km 46,5.


Es lagen jetzt knapp 15km mit ca. 1400 Höhenmetern vor mir.


Vernunft und Scheitern


Allmählich kam ich aus der Wolkendecke raus. Alles lichtete sich und ich hatte wieder phänomenale Ausblicke. Allerdings ging es jetzt im ständigen auf und ab weiter. Steile und brutale Anstiege. Einer nach dem anderen. Heiß wurde es auch wieder. Der Temperaturwechsel war schon nicht ohne gewesen.


Leider bekam ich ab km 34 (kurz nach der VP) Magenbeschwerden. Der Höhepunkt war als ich mein Riegel essen wollte und das Ganze für Übelkeit sorgte. Ich war etwas überrumpelt von der Situation und setzte mich erstmal auf meinen Stein am Wegesrand, um mich kurz auszuruhen und zu versuchen meinen Magen zu beruhigen. Nach ein paar Minuten wagte ich einen Versuch und wanderte erstmal zügig hoch. Aber immer wieder spürte ich ein sehr komisches Gefühl im Bauch. Es war als ob mein Magen Achterbahn gefahren ist. Die nächsten Stunde nahm ich nichts mehr zu mir außer Wasser. Ich wurde langsamer und die Energie ließ allmählich auch nach. Immer wieder legte ich kurze Pausen ein in der Hoffnung auf Besserung. Brechen musste ich nicht, aber kurz davor war ich in jedem Fall. Gepaart mit der Hitze und der Höhe war ich völlig ausgelaugt. Ich schleppte mich die Anstiege hoch und konnte es ehrlich gesagt nicht wahrhaben, dass es jetzt so gekommen ist. Was habe ich falsch gemacht? Warum ?


Immer wieder kam ich bei Sanitätern auf der Strecke vorbei. Einmal machte ich bei einer Crew kurzen Halt, die mir gut zusprachen, aber auch merkten, dass es mir nicht so dolle ging. Ich entschied mich dafür weiterzumachen, aber tief in mir stellte sich die Frage, wie ich weitere über 30km mit 1500 Höhenmetern ins Ziel in dem Zustand schaffen sollte. Es war mehr als enttäuschend. Mit Tränen in den Augen kam ich am nächsten Checkpoint der Sanitäter an. Unterhalb des Pico de la Nieve entschied ich endgültig aus dem Rennen rauszugehen.


Transvulcania - Höhenprofil

Ehrlich gesagt war ich erstmal am Boden zerstört. Ich schaute in die Ferne und wusste, dass dieser Tag nichts mehr geben wird. Scheitern ist nicht schön. Aber manchmal ist es unumgänglich. Irgendwas hat nicht gepasst. Ich stellte mir auch die Frage, ob ich einfach hätte weitermachen sollen. So nach dem Motto: "Ich krabbel durchs Ziel". Aber auch das wollte ich nicht. Ich hatte die Vorstellung durchs Ziel zu laufen und eine gute Zeit hinzulegen. Fit genug war ich in jedem Fall. Aber heute sollte es nicht sein.


Gemeinsam mit der Bergrettung stieg ich vom Berg ab, um an die Forststraße zu kommen, wo man mich einsammeln würde.


Nach 42km und +3300 Höhenmetern Aufstieg war der Transvulcania für mich zu Ende. Ein gescheiterter Lauf und eine Herausforderung, die mich an diesem Tag überrollt hat.


Zum Erfolg gehört es auch auf dem Weg zu scheitern. Das dies nicht leicht fällt und sehr schwer sein kann, muss ich glaube ich nicht erklären. Viele Nachrichten erreichten mich, dass ich trotzdem stolz auf meine Leistung unter diesen Bedingungen sein kann. Es ist natürlich nicht selbstverständlich einen Marathon mit diesen Höhenmetern zu laufen und dafür bin ich sehr dankbar. Aber mein Ziel habe ich nicht erreicht und das muss erstmal verdaut werden.


Nach vorne schauen


Wenn ich eins gelernt habe, ist es die Dinge loszulassen, die ich nicht mehr ändern kann. Aus Situationen, Fehlern oder Misserfolgen lernen und die Erkenntnisse für die Zukunft mitnehmen. Klar war ich an jenem Tag betrübt. Gleichzeitig wusste ich auch, dass meine persönliche Geschichte mit dem Transvulcania noch nicht zu Ende geschrieben ist. Ich muss besser werden und stärker zurück kommen. Abhacken und weiter!

Leider schafften es aus unserer Gruppe zweit weitere nicht und die anderen beiden finishten mit einer starken Leistung!


Der Tag nach dem Lauf war extrem ruhig. Alle entspannten sich und meinem Magen ging es nach knapp 24h auch wieder besser und alles schien normal. Trotz des Marathons in den Beinen hatte ich keinen Muskelkater und schien noch richtig Energie zu haben. Um meinen inneren Frieden mit La Palma zu finden musste ich nochmal losziehen. Für mich alleine und mit all dem aufgestauten Frust.


Einmal hoch und runter


Ich musste nicht lange überlegen, wo ich hinlaufen wollte. Für mich war klar, dass ich den höchsten Punkt der Insel erreichen möchte, den ich beim Lauf nicht erlaufen konnte.


Morgens früh ging es an den Strand von Tazacorte. Einmal das Meer berühren und von dort dann hoch zum Roque de los Muchachos (2426m - höchster Punkt von La Palma).



Der Aufstieg war hart und ein Stück weit auch emotional. Meter für Meter stieg ich auf und genoß die Aussicht. 17,5km und knapp 2500 Höhenmeter bergauf. Eine zähe Geschichte, aber ich haben jeden Meter genoßen und während des Aufstiegs konnte ich auch mit dem DNF abschließen. Unterwegs traf ich auf den letzten Kilometern noch einen Läufer aus Frankreich, der ebenfalls zum Roque wollte. Er erzählte mir mit seinem gebrochenen Englisch und einem französischem Akzent, dass er den Ultra auch gemacht hat. Ich war beeindruckt, dass er nach dem Ultra noch hier hoch stiefelt. Sein Grund war, dass er beim Lauf keine Fotos gemacht hatte und für seine Familie und Freunde noch ein paar Fotos machen möchte. Wahnsinn. Schnell stellte sich aber heraus, dass der neu gefundene Laufbekannte ein erfahrener Ultra-Hase ist, der auch schon viermal den Grand Raid von La Reunion gefinshed hat.


Angekommen am Gipfel füllte ich oben meine Wasserflaschen auf und genoß die Aussicht von oben. Das Gefühl über den Wolken auf einem Berg zu sein und im Hintergrund das Meer zu sehen, ist jedes Mal atemberaubend.

Ein Gipfelfoto, zwei Riegel und ganz viel Wasser später, stürzte ich mich wieder in den Downhill. 17,5km +2500 Höhenmeter runter. Ich lief mit neuer Energie und leichter vom Berg runter. Irgendwas ist anders und ich fühle mich jetzt in diesem Moment einfach im reinen mit dem gescheiterten Lauf und der Insel.


Nach einem harten langen Downhill komme ich wieder am Strand an und gönne mir ein paar kühle Getränke und ein Eis an der Promenade. Danach gab es noch ein To-Do auf der Liste. Zum Abschluss noch ins Meer springen.


Porto Tazacorte

See you soon La Palma


Die Reise nach La Palma war intensiv und sehr schön zugleich. Viele tolle Erkenntnisse, Momente draußen und tolle Eindrücke. Klar ist für mich jetzt schon, dass ich den Transvulcania nochmal laufen werde. 2025 werde ich wieder am Leuchtturm stehen. Der Lauf wird sich vielleicht nicht ändern. Gleiche Bedingungen, gleich hart und zäh. Aber ich werde anders sein. Ich werde stärker sein. Stärker in den Beinen und im Kopf. Erfahrener und weiser werde ich sein. Aus dem Scheitern habe ich jetzt schon viel mitgenommen und rückblickend bin ich dankbar für diesen Motivationskick. La Palma... Bis bald!


Hasret



 

Trampelpfadlauf Podcast


Ich spreche gemeinsam mit unserem Gastgeber Thomas über La Palma, seine Vorhaben und unsere Zeit auf der Insel.





*Der Beitrag enthält unbezahlte Werbung.

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